Russland und Putin übersehen die Gefahr der Ukraine-Anbindung an die EU, glaubt eine Politik-Professorin. Auch Europa droht ein weiterer Brandherd.
Das weiß auch Grünen-Politikerin Jamila Schäfer: „Wenn wir nicht endlich klare Fortschrittssignale an die Staaten des Westbalkans senden, werden Russland, China und andere Akteure die Lücke füllen.“ Gleichzeitig sei es wichtig, die Länder nicht über einen Kamm zu scheren. Denn Europa dürfe die Ukraine nicht an Russland verlieren. Riskiert die EU also aktuell, an einer anderen Flanke umso verwundbarer zu werden? Für Börzel könnte die Ukraine eines Tages eine zentrale Rolle zwischen West- und Osteuropa einnehmen – vorausgesetzt, das Land überlebt. Denn als fünftgrößter EU-Staat – gemessen an der Bevölkerungszahl vor Kriegsausbruch – würde Kiew eine gewichtige Stimme zukommen. Juni ist klar: Die Ukraine ist auf der Fahrbahn in Richtung Europäische Union. Klar ist auch: Eine Überholspur ist es nicht. Stichwort Selbsterhalt: In der Diskussion um eine mögliche Osterweiterung muss der Westbalkan im selben Atemzug genannt werden. Hausaufgaben, Reformen und ein langer Beitrittsprozess, das klingt vor allem nach Bürokratie. Dennoch werden Politiker:innen nicht müde zu betonen, wie „historisch“ die Entscheidung des Europäischen Rates sei, der Ukraine den Kandidatenstatus zu verleihen. Unterordnen wollte sich die Ukraine auch nicht 2013/2014. Das zeigte die pro-europäische Euromaidan-Bewegung. Mehr als 100 Demonstrierende starben im Kampf für weitreichende Reformen. Auslöser war die Weigerung des damaligen Regierungschefs Viktor Janukowytsch, das EU-Assoziierungsabkommen zu unterschreiben. Selbst wenn dieser Krieg beendet wird, wird dieser Konflikt bleiben.“ Bei einem EU-Beitritt der Ukraine würde der Staatenverbund den Ukraine-Konflikt also erben. Und das in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit. Ist die Europäische Union der Ukraine in der schwersten Stunde also beinahe selbstlos entgegengeeilt? „Eine nationalistische, unabhängige Ukraine, die sich Putin anschließt und gegen Europa wendet, ist nicht in unserem Interesse“, sagt Börzel. Bedeutet: Am Ende geht es wie so oft um Selbsterhalt. Vor allem aber würde ein Beitritt der Ukraine die Grenze der EU weiter in den Osten verschieben als jemals zuvor.
Auch nach fünf Monaten tobt der Ukraine-Krieg weiter. Für den britischen Historiker Niall Ferguson ist klar, dass ein Ende noch in weiter Ferne liegt.
Das glaubt auch Ferguson. «Es ist nicht ausgeschlossen, dass Putin im Falle einer Wiederwahl Trumps nicht in die Ukraine einmarschiert wäre.» (ced) «Als Trump gewählt wurde, befürchtete jeder, dass er die Nato abschaffen würde. Hat er das getan? «Das Ausmass der Inkompetenz seiner Regierung ist erschreckend». Er hat die Sanktionen gegen die russische Gaspipeline Nordstream 2 aufgehoben und sich aus Afghanistan zurückgezogen. Zudem sagte er Putin, dass dieser im Falle eines Angriffs nur mit Sanktionen rechnen müsse», fasst Ferguson zusammen. «Joe Biden hingegen flog nach Warschau, nannte Putin einen Kriegsverbrecher und rief zu seinem Sturz auf», so Ferguson. Gebracht habe das alles nichts. «Der Krieg ist umso schwieriger zu beenden, je länger er dauert.