Wladimir Putin konnte sich nie damit abfinden, dass sein Land eine Regionalmacht werden würde. Also führt er Krieg und richtet seinen Blick auf Europa.
Der Ukrainekrieg ist im Februar ausgebrochen, weil Putin die Lage in der Ukraine, in der EU und in den USA als günstig einschätzte. Seine Ursache aber liegt spätestens im Jahr 2008. Der Krieg in der Ukraine ist also Teil eines größeren ordnungspolitischen Konflikts. Die Ukraine wurde im Prozess der Neuordnung der europäischen Staatenordnung in den letzten drei Jahrzehnten im sicherheitspolitischen Niemandsland gelassen. Er muss erstens den Ordnungskonflikt in Europa klar benennen, zweitens die deutschen Interessen, die EU-europäisch aufgehoben sind, darin ausformulieren, und drittens den Spielraum für wertegeleitete Außenpolitik definieren. Aber sie schützen die Sicherheit des eigenen Landes. Deshalb kann die Gefahr des derzeitigen ordnungspolitischen Konflikts für Europa nur durch eine Neuausrichtung der Politik mittels innerer Transformation in Russland gebannt werden. Die übrigen Staaten versuchen internationalen Einfluss dadurch zu erlangen, dass sie es gemeinsam in der EU versuchen (deshalb ist der Brexit auch nicht beständig). Genau dieses Vorhaben, Europa zu beherrschen, ist auch der Dreh- und Angelpunkt für eine erfolgreiche Durchsetzung von Russlands geopolitischen Zwecken, die im Dezember 2020 in Form von zwei Vertragsentwürfen vorgelegt wurden. Wirtschaftsbeziehungen zu unterbinden kann, wenn die demokratischen Gesellschaften bereit sind, den Preis dafür zu zahlen, ein probates Mittel der Beziehungsgestaltung sein. Europa wurde nach Napoleons imperialistischem Vorhaben im Wiener Kongress neu geordnet und nach Hitlers imperialistischem Vernichtungskrieg von den Weltmächten Sowjetunion und USA in zwei Blöcke geteilt. Das war die zentrale geostrategische Aussage seiner Rede im Deutschen Bundestag vor zwanzig Jahren: Europa müsse sich, um seiner weltpolitischen Rolle gerecht werden zu können, von den USA trennen. Denn derzeit ist es zwar an Territorium und Nuklearwaffen groß, aber demographisch, ökonomisch und technologisch nicht weltmachtfähig. Die Sowjetunion kam einer imperialistischen Herrschaft über Europa dabei am nächsten und konnte sie auf einige Dauer, fast fünfzig Jahre, absichern. Frankreich und Deutschland sind in den beiden letzten Jahrhunderten daran gescheitert, Europa in imperialistischen Kriegen zu unterwerfen.
Durch die hohen Rohstoffpreise verdient der Kreml genug Geld, um weiter Krieg führen zu können. Wer meint, dass Putin bald einlenken...
Vor allem, weil die EU ihre maßgeblich durch Deutschland vorangetriebene Abhängigkeit von Russland verringern will. Das Land ist noch abhängiger vom Rohstoffexport geworden, und auch dafür werden die Märkte kleiner. Die Folgen der Wirtschaftssanktionen für Russland werden allmählich sichtbar.