Alice Schwarzer ist Mitherausgeberin eines Sammelbands über "Transsexualität". Schwarzer kanzelt darin den Wunsch nach Geschlechtsanpassung als "Trend“ und ...
Ganz anderes der Ton bei Schwarzer: "Jetzt stürmen vor allem junge Mädchen die Trans-Praxen. Ihnen suggeriert der Zeitgeist, die Flucht ins Mannsein sei die Lösung." Die Wortwahl ist bezeichnend: "stürmen, Zeitgeist, flüchten." Die Anliegen von Transpersonen werden verharmlost, als Mode und also vorübergehend abgetan. Hier werden Transmenschen als idiotisch abgetan, die nicht den Durchblick von Schwarzer hätten. Wer noch einen Beleg dafür braucht, dass vor allem jene in einer Blase leben, die behaupten, alle anderen tuen es – Schwarzer liefert ihn. Vielleicht als Reaktion auf plumpe Angriffe. Nur mit einem Freund-Feind-Schema kommt niemand den Nöten und Wünsche von Transpersonen näher. Schwarzer, die vor einer Schwächung und Spaltung warnt, tut sehr viel dafür, dass sie stattfindet. Ihre Zeitschrift "Emma" leidet unter Auflagen- und Bedeutungsschwund. Leider ist daran nicht nur eine patriarchale Gesellschaft Schuld, die Frauen immer noch unterdrückt. Sondern auch eine Herausgeberin, die sich allen Neuerungen verschließt. Schwarzer versteht sich nicht als eingeladen unter dem Begriff "Flinta", sieht nicht die Bemühung, darin die Interessen von Gruppen zu bündeln, um ihnen Geltungsmacht zu verschaffen. Alice Schwarzer, die wohl bekannteste deutsche Feministin, warnt in ihrem Sammelband "Transsexualität" vor den Gefahren von Geschlechtsanpassungen. Sie akzeptiert zwar die individuellen Nöte der Betroffenen, hält aber die Lösung, das biologische Geschlecht zu ändern, für einen falschen Weg. Vor allem junge Menschen würden damit einem "Trend" folgen, im Interview kanzelt sie das gar als "Mode" ab. Auch Teile der queeren Szene fühlen sich durch einige Butler-Jüngerinnen (z. B. Hengameh Yaghoobifarah) als Teil des Problems eingeordnet und nicht als Verbündete. Exemplarisch lässt sich dieser Streit zwischen queeren Personen und avancierten Feministinnen am Band "Beißreflexe" ablesen. Dieses Buch ist polemisch, Schwarzer selbst kanzelt den Wunsch nach Geschlechtsanpassung als "Trend“ und "Zeitgeist“ ab. Vor allem betrifft die der Gender-Theorie und deren wichtigste Vertreterin Judith Butler. Der wirft Schwarzer vor, sie würde die Existenz eines biologischen Körpers leugnen, weil Butler zwischen gender (dem sozialen Geschlecht) und sex (dem biologischen) unterscheide. Alice Schwarzer ist Mitherausgeberin eines Sammelbands über "Transsexualität“. Leider verspricht der Untertitel "Eine Streitschrift" nicht zu viel. Diese Interpretation von Schwarzer verkennt aber komplett Butlers Anliegen. Was Butler mit ihrer Unterscheidung meint, ist nicht, es gebe kein biologisches Geschlecht. Was die Philosophin kritisiert, ist der Glaube, wir könnten biologische, quasi natürliche Eigenschaften erkennen, ohne damit sofort die gesellschaftlichen Überformungen zu wiederholen, ohne dass die sozialen Vorstellungen und Vorurteile, die wir über Geschlecht haben, uns dabei den Blick trüben. Die fundamentale Erkenntnis, dass unser Blick auf die vermeintlich objektive Biologie stark von unseren sozialen Vorstellungen geprägt ist, hat zahllose Feministinnen zu klugen Analysen verholfen. Offenbar liest Schwarzer seit längerem keine aktuellen, dezidiert feministischen Zeitschriften wie etwas das Missy Magazine. Der weiße alte Mann, der Phallozentrismus, das männliche Denken wird dort permanent beschrieben und kritisiert – mit Butler und mit "Flinta" als große Koalition gegen die Männermacht. Für Schwarzer aber gibt es nur einen alleinseligmachenden Weg zu einer besseren Gesellschaft – ihren.