Autor Wolf Haas ist berühmt für seine Romane rund um den Privatermittler Simon Brenner. Nach acht Jahren gibt es nun eine neue Geschichte.
- Roman - Seitenzahl: Sprachlich arbeitet Wolf Haas mit Rhythmisierungen, lässt Sätze unvollständig stehen, verkürzt Gedankengänge und szenische Beschreibungen auf das Notwendigste. Das macht das Lesen nicht immer einfach. Warum ist der Udo mit dem Knie in der Zeitung, und der Novak mit dem abgetrennten Kopf nicht in der Zeitung. Leseprobe Beim Müll geht es ja immer um das Trennen. Darum sag ich, Müll beste Schule für das Denken. Weil du hast die Kategorien, sprich Wannen. Es gibt für alles eine eigene Wanne, Bauschutt, Wellpappe und und und. In Wolf Haas neuem Roman "Müll" begleitet die Erzählstimme den Brenner auf die Müllkippe, in Wien Mistplatz genannt.
Seit 1996 sind die „Brenner-Krimis“ fast ein eigenes literarisches Genre. Mit „Auferstehung der Toten“ führte Wolf Haas nicht nur den Privatdetektiv Simon ...
ZUR PERSON: Wolf Haas, geboren 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer, war Universitätslektor und Werbetexter („Ö1 gehört gehört“, „Lichtfahrer sind sichtbarer“ u.a.), bevor er 1996 mit „Auferstehung der Toten“ als Krimiautor durchstartete. Haas: Ich hab aus Zweckpessimismus immer gesagt: Sobald es mit der Pandemie besser wird, wird uns die nächste Riesenkrise beschäftigen. So etwas sagt man ja immer in der Hoffnung, dass man sich täuscht, aber leider ist es jetzt doch so. Und andererseits die Tatsache, dass das Gesetz in Österreich und in Deutschland die Organentnahme verschieden regelt. Jetzt weiß man erst, wie schön es war, dass der einmal vorbei war. Komischerweise ist mir dann aber bei diesem Organspendethema aufgefallen, dass es eine auffällige Gemeinsamkeit gibt: die Frage nach dem Recht des Einzelnen auf seinen eigenen Körper und auf das Recht der Gemeinschaft. Das ist ja wirklich eine interessante philosophische Frage. Was die Impfkritiker betrifft, muss man schon manchmal staunen. Ist es nicht ganz erstaunlich, wie sehr dieses Thema die Emotionen hochgehen lässt? Dass sich plötzlich jeder als Spezialist dafür fühlt und nun für seinen Körper Entscheidungen selbst treffen möchte, die man früher ganz bedenkenlos an seinen Arzt oder seine Ärztin abgegeben hätte? In Deutschland muss man ausdrücklich zustimmen, in Österreich ist jeder ein Organspender, der nicht ausdrücklich widersprochen hat. Das ist natürlich für einen Krimi eine super Ausgangssituation. Und bei allem Ernst hat es auch was Komisches, weil man sich fragt, was ist, wenn ein Österreicher in Deutschland stirbt? Neue Sachen kauf ich mir meistens erst, wenn die alten sich auflösen. Ein paar Flüge muss ich natürlich schon in der Hölle abbüßen. Erst unlängst hab ich in einem Interview mit Ex-Bürgermeister Häupl gehört, als er noch Umweltstadtrat war sei die Hundertwasserverzierung der Müllverbrennungsanlage Spittelau das einzige gewesen, wo sein Vorgänger Zilk ihm hineinregiert hat. Das war eher eine sentimentale Idee über ausgediente Dinge. Aber auf „meinem Mistplatz“ ist mir dann aufgefallen, dass die Arbeiter und die ganze gelassene Atmosphäre sehr an den Brenner erinnern. Wie halten Sie’s denn selber mit der Mülltrennung und den Fragen des nachhaltigen, ressourcenschonenden Lebens?
Seine Leserinnen und Leser freuen sich auf einen neuen Roman von ihm wie Kinder aufs Christkind. Nun hat Wolf Haas seinen neunten Brenner-Krimi geschrieben.
In „Müll“ wird auf dem Mistplatz – wie in Wien ein städtischer Wertstoffhof heißt – eine zerstückelte Leiche gefunden. Fühlen Sie sich wie ein Popstar der Literatur? Es ist schon verdammt blöd, dass das jetzt so zusammenfällt. Aber andererseits macht man sich auch lächerlich, wenn man sein Buch überhaupt in so einen Zusammenhang stellt. Für mich persönlich ist das gar nicht so schlecht, denn ursprünglich hab ich genau deshalb Krimis geschrieben, um mich vor literarischen Über-Ichs ein bisschen in Sicherheit zu bringen. Im neuen Brenner geht es auch um sogenannte Bettgeher – Mietnomaden, die mal hier, mal dort einbrechen, um in Wohnungen zu schlafen, deren Bewohner zurzeit nicht da sind. Ihr Roman erscheint in diesen Tagen, die vom Krieg in der Ukraine geprägt sind. Unlängst hab ich mir mal in der U-Bahn von einem Passagier gedacht: Das wäre ein super Brenner. Und den aktuellen Müllplatz-Roman hatte ich ursprünglich begonnen als eine Geschichte über Leute, die Sachen wegwerfen. Beim Schreiben bin ich natürlich ganz in diesem Duktus drinnen – er treibt die Geschichte voran, so wie vielleicht ein Reimschema ein Gedicht erzeugt. Aber als dann keiner mehr einen Brenner von mir erwartet hat, ist der Spaß zurückgekommen. Es war sogar der Sonderspaß: Einen verbotenen Brenner zu schreiben, weil ich die Serie ja beendet hatte. Aber dieser begeisterte Blick des Erzählers auf den Brenner, seine beflissenen Kommentare und seine ganze Wichtigtuerei bringen den Brenner erst in Schwung. Heute sind Sie erfolgreicher Schriftsteller und müssen bei der Berufswahl nicht mehr flexibel sein. Deshalb hat mich beim aktuellen Roman ja auch diese unterschiedliche Gesetzgebung in Deutschland und Österreich für die Spenderorgane interessiert.
Dass Wolf Haas' „Brenner“-Krimis Kult sind, braucht wohl niemandem mehr gesagt werden. Und die lange Wartezeit – ganze siebeneinhalb Jahre musste man sich ...
Vor dem inneren Auge sieht man bereits Josef Hader – der den Brenner schon viermal gemimt hat – in der orangefarbenen Kluft vor sich hin stiefeln, und etwa auch über einen Tesla mit Batterieausfall schimpfen. Das menschliche „Puzzle“ ist nämlich nicht ganz vollständig, das Herz fehlt – und das ist kein Zufall. Die Spur weist in Richtung Organhandel. Und wieder. Und da bin ich noch nicht einmal bei den Problemstoffen“, heißt es da etwa. Und wieder. Was den Ex-Polizisten natürlich in den Fall hineinschlittern lässt, ausgerechnet unterstützt von seinem früheren Kollegen Kopf, über den ein abgedroschener Schmäh lautet, dass der Kopf „aus dem Bauch heraus ermittelt“. Wobei es der Brenner ist, der intuitiv auf der richtigen Spur ist.
Mist! Der Brenner war acht Jahre weg. „Müll“! Der Brenner ist wieder da. Im Interview verrät Wolf Haas, warum er seinen Privatdetektiv diesmal tief im Dreck ...
Herr Haas, erstklassige Autoren erkennt man auch daran, dass sie ihren Figuren ein sehr fürsorglicher Vater sind. Herr Haas, erstklassige Autoren erkennt man auch daran, dass sie ihren Figuren ein sehr fürsorglicher Vater sind. Aber Ihr Verhältnis zu Simon Brenner ist schon ein Sonderfall. Lässt er Sie, wie ein Quälgeist, nicht in Ruhe, oder gönnen Sie ihm keinen Ruhestand?
In seinem neuen Brenner-Roman „Müll“ spielt Wolf Haas mit den Konventionen, Motiven und Klischees des Krimi-Genres – ...
Trotzdem lässt sich in „Müll“ eine leichte Variation ausmachen: Diesmal liegt das Erzählte schon einige Jahre zurück, der Erzähler ruft es sich in einer ungefähren Zukunft in Erinnerung. Die Kernhandlung des Romans, das lässt sich mit etwas detektivischem Spürsinn und ziemlicher Sicherheit errechnen, spielt 2023. Und der Schritt in die Illegalität sogar Leben retten kann. Weil in dieser Geschichte nicht jeder Mord wie Mord ausschaut – und nicht alles, was vordergründig „Mord“ schreit, auch Mord ist. Und um die Idee, diesen Unterschied zu Geld zu machen. Und, um es gleich zu sagen – als Hommage an den Autor gewissermaßen, der auch das Vorwegnehmen von Informationen, deren inhaltliche und kompositorische Bedeutung sich erst später erschließt, zur großen Kunst veredelt hat: „Müll“ ist ein brillantes Buch – lustig, spannend, tragisch. Obwohl er das Polizistendasein ja schon 1996 mit der „Auferstehung der Toten“ im Grunde aufgegeben hat.
"Müllplätze sind eine Art Unterwelt", sagt Wolf Haas im SN-Interview. Und also taugen sie als ein idealer Ausgangsort für seiner ersten Brenner-Krimi nach ...
Täglich die digitale Zeitung als E-Paper in der SN-App Täglich die digitale Zeitung als E-Paper in der SN-App Nur so viel: Es geht um letzte Ordnungssysteme und es geht - wie schon in "Silentium" - über die Grenze ins Bayrische, weil rund um den Chiemsee ...